Erkrankungen der Muskulatur treten beim Pferd häufig auf, sind jedoch aufgrund unterschiedlicher Symptomatik nicht immer einfach zu diagnostizieren. Es handelt sich dabei um Stoffwechselstörungen der Muskulatur, die zu einer Degeneration der Muskelfasern führen können. Eine gute klinische Untersuchung und labortechnische Abklärungen sind sehr wichtig für die Diagnostik.
Liegendes Pferd
Der Kreuzschlag oder Kreuzverschlag ist eine Muskelerkrankung (genannt Myopathie), bei der es zur Schädigung der Muskulatur kommt.
Je nach Schweregrad gehen unterschiedlich viele Muskelzellen zugrunde, wobei Muskelfarbstoff (Myoglobin) sowie Muskelenzyme und - Elektrolyte freigesetzt werden und ins Blut gelangen.
Die Symptome und Ursachen solcher Muskelerkrankungen sind vielfältig.
Aufgefangener, dunkel verfärbter Urin eines Pferdes mit Kreuzschlag.
Eine ausgedehnte Muskelzellschädigung ist sehr schmerzhaft.
Betroffene Tiere sind bewegungsunwillig und zeigen einen steifen Gang. Je nach Schweregrad äussern sich die Schmerzen auch durch Schwitzen, eine erhöhte Atemfrequenz oder Muskelzittern und -krämpfe. Beim Abtasten sind vor allem die grossen Muskelpakete der Schulter, des Rückens und der Kruppe verhärtet und schmerzhaft. Erholt sich das Pferd, werden die betroffenen Muskelpartien nach Stunden bis Tagen wieder weicher.
Bei einer hochgradigen Schädigung der Muskulatur wird viel Muskelfarbstoff ins Blut freigesetzt. Dieser wird über die Nieren und die Harnwege ausgeschieden, was zu dunkel verfärbtem Harn führt.
Die Muskelerkrankung kann sich ebenfalls wie eine Kolik äussern - mit Scharren, Flehmen, Abliegen u.a.m. Im Extremfall kann das Pferd nach dem Abliegen nicht mehr aufstehen und wird festliegend. Das verschlechtert die Prognose auf eine vollständige Heilung deutlich.
Bei wiederkehrende Kreuzschlägen sollte an erbliche Muskelerkrankungen gedacht werden und weitere Abklärungen erfolgen.
Abgebildet ist die histologische Untersuchung einer Muskel-Gewebeprobe. Erkennbar sind Muskelfasern im Querschnitt, welche in einer speziellen Färbung (PAS Färbung) rötliche Einlagerungen zeigen. Diese Veränderungen zeigen, dass das Pferd PSSM positiv ist.
Wenn Pferde wiederholt einen Kreuzschlag zeigen, ist das verdächtig für ein vererbtes Grundproblem.
Polysaccharid Speicher Myopathie (PSSM) ist eine Muskelerkrankung, die sich bei oder nach der Arbeit bemerkbar macht.
Sie entsteht aufgrund einer Stoffwechselerkrankung mit erhöhter Aufnahme und abnormaler Speicherung von Zuckern in den Muskelzellen. Dadurch wird die normale Funktion der Muskelzellen beeinträchtigt.
Die Krankheit wird vererbt und tritt deshalb familiär gehäuft auf. Sie kann bei vielen verschiedenen Rassen vorkommen, aber am häufigsten scheinen Kaltblüter und Quarter Horses betroffen zu sein.
PSSM Typ I tritt gehäuft bei Quarter Horses, Kaltblütern und bei einem kleinen Prozentsatz von Warmblutpferden auf. Ursache ist eine Genmutation (Glykogen Synthase 1 Gen). Dabei kommt es zu einer abnormalen Speicherung von Zuckermolekülen (Polysaccharide) in der Skelettmuskulatur. Diese sind bei PSSM Typ I-Pferden um das 1,5-fache höher als in der normalen Muskulatur von gesunden Pferden.
PSSM Typ I kann zuverlässig über einen Gentest (Vollblut oder Haarwurzeln) bestimmt werden.
PSSM Typ II tritt häufiger bei Warmblütern und bei Arabern auf. Diese Pferde zeigen die gleichen Symptome wie Pferde mit PSSM Typ I, haben auch eine abnormale Speicherung von Zuckern, aber die für PSSM I typische Genmutation kann hier nicht gefunden werden.
PSSM Typ II wird via Muskelbiopsie diagnostiziert.
Dabei wird eine Gewebeprobe aus der Muskulatur entnommen und nach Aufbereitung unter dem Mikroskop beurteilt. Der abnormal gespeicherte Zucker ist mit einer Spezialfärbung darstellbar.
Der seit neuerem verfügbare Gentest, bei dem vier genetische Varianten untersucht werden, ist nicht zuverlässig.
Eine kürzlich erschienene Studie hat gezeigt, dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen den genetischen Varianten und dem tatsächlichen Vorhandensein einer PSSM Typ II Erkrankung besteht (Valberg et al. Commercial genetic testing for type 2 polysaccharide storage myopathy and myofibrillar myopathy does not correspond to a histopathological diagnosis. Equine Vet J.2020).
Hierbei wurde der Gentest bei gesunden und bei an PSSM Typ II erkrankten Pferden (Diagnose mittels Muskelbiopsie bestätigt) angewendet. In beiden Gruppen konnten bei ca. 25% der Pferde veränderte Genvarianten gefunden werden.
Dies bedeutet, dass auch gesunde Pferde rein zufällig diese Genvarianten aufweisen können.
MFM betrifft vor allem Araber und Warmblutpferde. Dabei reichern sich die abnormalen Zuckermoleküle nicht, oder nicht ausschliesslich in den Muskelzellen, sondern auch spezifisch zwischen den Myofibrillen an. Myofibrillen sind einer der Bestandteile in einer Muskelzelle. Es wird vermutet, dass MFM eine Vorstufe von PSSM II sein könnte.
Diagnose: siehe PSSM II
Die sogenannten 4-, 5- oder 6-Panel Tests testen verschiedene genetische Muskelerkrankungen.
Getestet werden können folgenden Krankheiten: HYPP, PSSM, MH, GBED, HERDA und OLWS.
Dabei handelt es sich um vererbbare Muskelerkrankungen, welche zu einer unterschiedlich starken Ausprägung von Leistungsschwäche, Leistungsabfall, Muskelkrämpfen und weiteren Schäden führen.
Gerade in der Quarter Horse-, Paint- und Appaloosa-Zucht werden grosse Anstrengungen unternommen, gefährdete Blutlinien zu definieren und aus der Zucht auszuschliessen.
In spezialisierten Laboratorien können die betroffenen und gefährdeten Tiere über eine DNA-Sequenzierung identifiziert werden.
Pferde auf der Weide
Eine toxische Muskelerkrankung ist die „atypische Weidemyopathie“. Dabei handelt es sich um eine Vergiftung mit Samen des Bergahorns (Toxin Hypoglycin A) oder des selteneren Eschenahorns.
Vor allem im Herbst zeigen Weidepferde plötzlich hochgradige Kreuzschlag-Symptome.
Innerhalb kurzer Zeit sterben bei diesen Pferden viele Muskelzellen ab.
Wegen dieser massiven Zellschädigung liegen die Pferde ab und sind nicht mehr in der Lage aufzustehen. Meist sind mehrere Pferde gleichzeitig betroffen.
Beispiel einer Blutuntersuchung über Tage hinweg, bei einem Pferd mit deutlichem Kreuzschlag. Die Muskelenzym- Aktivität der CK ist beim gesunden Tier unter 270 IU/l. Erkennbar ist ein massiver Muskelenzymanstieg (CK bis 350000IU/l) mit langsamem Abfall über 2 Wochen.
Bei einer Blutanalyse finden sich erhöhte muskelspezifische Enzyme (CK, AST, LDH) und veränderte Elektrolyt-Konzentrationen. Auch die Nierenfunktion muss geprüft werden, denn der Muskelfarbstoff, der zu dunkel verfärbtem Harn führt, ist direkt nierenschädigend.
Mit diesen Blutuntersuchungen werden akute und auch chronische Phasen einer Muskelerkrankung entdeckt.
Wenn die Blutwerte nicht eindeutig sind, kann ein Belastungstest Klarheit schaffen: nach einer Ruhephase wird eine erste Blutentnahme durchgeführt, um daraus die „Nullwerte“ zu bestimmen. Anschliessend wird der Patient einer körperlichen Belastung ausgesetzt, wodurch bei Pferden mit einer zugrundeliegenden Muskelerkrankung eine Zellschädigung provoziert wird. Das führt bei der zweiten Blutanalyse 4-6 Stunden nach der Belastung zu einem deutlichen Anstieg der Muskel-Werte.
Informationen bezüglich spezieller Diagnostik bei erblichen Krankheiten, wie PSSM, HYPP, MH, GBED, HERDA und OLWS, finden Sie weiter oben unter "Ursache - erbliche Muskelerkrankungen".
Eigenes Produkt: zuckerfrei und hochkonzentriert mit Vitamin E, Selen und weiteren Spurenelementen und Vitaminen (z.B Vitamin D3).
Betroffene Pferde sollten möglichst kein Kraftfutter (schnell verfügbarer Zucker) erhalten und stattdessen möglichst 24 Stunden Raufutter zu Verfügung haben (Fresspausen von bis zu vier Stunde stellen kein Problem dar). Die kontinuierliche Verfügbarkeit von Raufutter hilft den Insulin- und Glukosespiegel konstant zu halten, ebenso eine möglichst stressfreie Haltung. Unruhe und Stress führen zu starken Schwankungen in der Insulin- und Glukosekonzentration im Blut, was sich wiederum nachteilig auf die Stoffwechsellage von an PSSM-erkrankten Pferden auswirkt.
Grundsätzlich gilt, dass jeglicher schnell verfügbare Zucker vermieden werden sollte. Sollte die kontinuierliche Raufutterfütterung nicht genügend Energie liefern, können Heupellets, Pflanzenöl oder auch spezielle kohlenhydratarme Futterprodukte Verwendung finden.
Eine allfällige Kraftfutter-Ration (mit den schnell verfügbaren Zuckern) sollte gut mit dem Tierarzt abgesprochen werden. Der Versorgung mit Vitamin E und Selen ist besonderes Gewicht beizumessen. Auch weil Gebiete in der Schweiz als Mangelgebiete gelten, sind unsere Pferde oft unterdosiert. Zur Supplementierung eignet sich unser hauseigenes Produkt "Vetcare Supplements".
Regelmässige Bewegung und adäquates Training sind wichtige Voraussetzungen um Rückfällen vorzubeugen.
Unregelmässige Belastungen und komplette Ruhetage, oder lange, ungewohnte Ritte sollten vermieden werden. Bei Trainingsumstellung sind eine intensive Aufwärmphase im Schritt und eine langsame, an den Trainingszustand angepasste Steigerung wichtig.
Ein Laufstall, in dem sich das Pferd kontinuierlich bewegen kann, ist besser geeignet als eine Box.