Neurologische Erkrankungen beim Pferd umfassen Symptome, welche mit Veränderungen des Bewusstseins, des Verhaltens, der Haltung und des Ganges zu tun haben. Der Aufbau und die Funktion des Nervensystems sind äusserst komplex. Die profunde klinisch-neurologische Untersuchung ist sehr wichtig für die Diagnostik.
Unter der Krankheit „idiopathisches Headshaking“ versteht man das unkontrollierte Schlagen des Kopfes in horizontale oder vertikale Richtung aufgrund Schmerzen im Bereich des Kopfes, welche durch eine Hypersensitivität des Trigeminusnervs verursacht wird. Aufgrund dessen wird auch von einem Trigeminus-vermittelten Headshaking gesprochen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Headshaken keine Widersetzlichkeit des Pferdes, sondern eine Krankheit ist, weshalb betroffene Pferde nicht ausgebunden oder bestraft werden dürfen.
Bildliche Darstellung vom Headshaking
Die Therapie eines Headshakers kann langwierig und frustrierend sein. Kein Headshaker ist gleich, wie der andere, jeder hat seine speziellen Symptome und Auslöser für das Headshaking. Ein Generalrezept für alle Headshaker gibt es leider nicht, jedoch können individuell angepasste Therapien gute Behandlungserfolge erzielen.
Headshaking beim Spazieren
Beim idiopathischen Headshaking zeigen die Pferde spontanes repetitives vertikales, horizontales und/ oder rotierendes Kopfschlagen, häufig begleitet durch gleichzeitiges Aufstampfen mit einem Vorderbein.
Weitere Symptome sind vermehrtes Schnauben, vermehrter Nasenausfluss, Reiben der Nüstern oder des gesamten Gesichts. Häufig werden die Ohren schlaff seitlich gehalten.
Headshaking bei der Arbeit
Viele Pferde zeigen eine Verstärkung der Symptome bei Bewegung auf der Weide, an der Longe oder unter dem Sattel, sowie eine saisonale Verstärkung in den Sommermonaten aufgrund einer Lichtempfindlichkeit (Photosensibilität).
Die Symptome können gering bis hin zu lebensbedrohlich sein.
Die Ursache des Kopfschlagens ist ein neurologischer Schmerz ausgelöst durch eine Überempfindlichkeit des Trigeminusnervs im Gesicht, welche zu einer gestörten sensorischen Funktion führt (unter anderem zu einer gestörten Berührungs- und Schmerzempfindung im Gesicht/ in der Nase). Der Trigeminusnerv versorgt die Schleimhaut der Nase, der Ohren, die Gesichtshaut, Zähne und Hornhaut des Auges. Es ist bislang nicht vollends geklärt wodurch die Überempfindlichkeit des Trigeminusnervs entsteht. Mögliche Ursachen können ein Trauma, eine Nasennebenhöhlenentzündung oder Zahnfachentzündung sein.
Die Verschlechterung der Symptome während der Bewegung kommt aufgrund einer vermehrten Durchblutung bei Bewegung zustande, während die Verschlechterung bei Sonnenlicht durch die weitere Sensibilisierung des Nervs durch die Sonne zustande kommt.
Bekannte direkte Auslöser für das Trigeminus-vermittelte Headshaken sind: Bewegung, Stress und Umweltstimuli, wie Sonnenlicht, Pollen, feuchte Luft, Licht, Wind, Nieseln, etc..
Das bedeutet, dass zur Diagnosestellung alle Erkrankungen, welche zu symptomatischem Headshaken führen können, ausgeschlossen werden müssen.
Symptomatisches Headshaking
Es gibt eine Vielzahl von Primärerkrankungen, welche symptomatisches Headshaking beim Pferd auslösen können. Hierzu gehören Zahnprobleme, Sinusitis, Genick-/ Halswirbelsäulenprobleme, THO (Temporohyoid Osteoarthritis), Rückenschmerzen, Neoplasien, Augenerkrankungen, Ohrmilben, Mittelohrentzündung, Luftsackmykose, reiterliche Probleme, Sattelprobleme und weitere.
Die Abklärung der genannten Primärerkrankungen beinhaltet Untersuchungen von Maul, Zähnen, Augen und Ohren, eine ausführliche orthopädische Untersuchung und ggf. gezielte Röntgen-, CT-, MRI-, oder endoskopische Untersuchungen.
Eine ausführliche Abklärung der Erkrankungen, welche zu symptomatischen Headshaken führen, wird empfohlen, da die Chance einer erfolgreichen Behandlung des Headshakens bei nahezu jeder anderen Erkrankung besser ist als bei Trigeminus vermitteltem Headshaken.
Es gibt unzählige Therapieversuche für das Trigeminus-vermittelte Headshaking. Die Auslöser sind sehr unterschiedlich von Pferd zu Pferd, weshalb die Pferde auch unterschiedlich auf die Therapien ansprechen. Leider ist noch immer keine der vorhandenen Therapien zuverlässig erfolgreich.
Im Folgenden listen wir unterschiedliche Therapieoptionen auf. Bitte vereinbaren Sie einen Termin mit einer unserer Pferdetierärztinnen, um Details zu besprechen.
PENS
UV-Maske
Elektroakupunktur
Die Narkolepsie und der REM-Schlafmangel werden umgangssprachlich häufig als Synonyme verwendet, obwohl es sich dabei um ganz unterschiedliche Erkrankungen handelt.
Pferde können im Stehen schlafen – dies lässt sich täglich gut beobachten. Der Kopf senkt sich leicht ab, die Augen sind halb oder ganz geschlossen und die Belastung der Hinterbeine wird in regelmässigen Abständen gewechselt.
Der Schlaf beim Pferd kann in drei unterschiedliche Phasen unterteilt werden. Der Leichtschlaf (Dösen), der Tiefschlaf (SWS-Schlaf = Slow Wave Sleep) und der REM-Schlaf (Rapid-Eye-Movement- Schlaf). Der Leicht- und Tiefschlaf ist im Stehen möglich, aber um in den REM-Schlaf zu kommen, müssen auch Pferde liegen.
In der REM-Phase ist das Pferd in Seitenlage, die Atem- und Herzfrequenz fährt herunter und die Muskulatur ist vollständig entspannt. Der REM-Schlaf ist für die Erholung des Pferdes unerlässlich.
Pferd liegend in Seitenlage
Pferd liegend in Seitenlage
Ein Pferd schläft pro Nacht ca. 3 Stunden, davon ungefähr die Hälfte liegend. Während der restlichen Nacht und auch am Tag gibt es mehrere unterschiedlich lange «Ruhezeiten». Diese Ruhezeiten finden stehend oder liegend (seitlich oder auch sternal) statt.
Pferde stehend am Dösen
Pferde sternal liegend
Pferde sternal liegend
Falls ein Pferd aus diversen Gründen nicht mehr abliegt, kommt es zu einem REM-Schlafmangel. Den Besitzern fällt beispielsweise auf, dass ihr Pferd immer wieder offene Wunden vorne an den Fesselköpfen hat.
Nach Sturz: Verletzung am Fesselkopf
Nach Sturz: Verletzung am Fesselkopf
Da Pferde, welche sich nicht mehr ablegen, im Stehen einschlafen, fallen sie plötzlich um. Die meisten Pferde erwachen während dem Umfallen und fangen sich wieder auf, aber durch den «Faststurz/Beinahe Sturz» verletzen sie sich häufig an den Gliedmassen oder am Kopf.
Ursachen für den REM-Schlafmangel sind vielfältig. Sowohl gesundheitliche Probleme wie Schmerzen, beispielsweise aufgrund von Arthrose oder ständiger Stress (z.B durch equines Asthma) als auch Haltungs-/Stallwechsel oder eine veränderte Hierarchie in der Gruppe können der Grund sein.
Ebenfalls können zu wenig oder ungeeignete Liegeflächen, fehlende Ruhezeiten oder Spezialereignisse wie eine Kolikoperation oder Geburt für einen REM-Schlafmangel verantwortlich sein.
Als Therapie sollten möglichst die Ursachen gesucht und bestenfalls behoben/therapiert werden, mit zum Beispiel Schmerzmitteln, Haltungsänderung etc. Allenfalls kann das Abliegen an der Hand trainiert werden und dem Pferd so im Beisein des Besitzers eine REM-Schlafzeit im Liegen verschafft werden.
Um Verletzungen vorzubeugen, sollten vor allem die Gliedmassen, im Speziellen die Fesseln geschützt werden (Gamaschen, Bandagen, umgekehrte Glocken).
Umgekehrte Glocken als Schutz vor Verletzung
Auch ein Versuch mit Antidepressiva oder pflanzlichen Produkten (CBD, Opium) kann dem Pferd möglicherweise eine Entspannung bieten, damit es sich wieder hinlegt.
Die Narkolepsie ist eine seltene neurologische Schlaf-Wach-Störung und tritt häufig schon im Fohlenalter auf. Sie beruht auf einem Hypokretinmangel (erworbene Form) oder einem Hypokretinrezeptormangel (angeborene Form). Hypokretine sind Neuropetidhormone, welche im Hypothalamus (Anteil des Zwischenhirns) gebildet werden und Einfluss auf das Essverhalten und den Schlafrhythmus haben.
Die Narkolepsie äussert sich durch Kataplexie (kurzzeitige Episoden von Muskelschwäche oder Paralyse ohne Bewusstseinsverlust), Halluzinationen, Lähmungen und Tagesschläfrigkeit und wird meistens durch einen Stimulus wie zum Beispiel Aufregung, aber auch Bürsten/ Streicheln ausgelöst.
Zur Diagnose-Sicherung kann dem Pferd Atropin intramuskulär oder intravenös verabreicht werden. Es zeigt anschliessend ein normales Verhalten.
Als Therapieoption werden Antidepressiva diskutiert. Eine Selbstheilung ist möglich.