Eine gesunde funktionelle Halswirbelsäule ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Rittigkeit und Einsetzbarkeit eines Pferdes. Im Pferdesport, aber auch im täglichen Pferdeleben, wird dem Pferdehals jedoch viel abverlangt. Umso verständlicher ist es, dass bei älteren Pferden (>15J.) die Entstehung der Halswirbelsäulenarthrose zum normalen Alterungsprozess gehört. Jedoch gibt es auch bei jungen Pferden Veränderungen der Halswirbelsäule, welche traumatische oder genetische Ursachen haben können.
Die Halswirbelsäule besteht beim Equiden und wie bei allen Säugetieren aus sieben Halswirbeln. Der erste Halswirbel wird auch Atlas genannt, der zweite Halswirbel ist auch unter dem Betriff Axis bekannt. Die Halswirbel werden der Reihenfolge nach nummeriert: C1-C7 (lateinisch: cervical).
Ein Halswirbel setzt sich zusammen aus einer vorderen (cranialen) und hinteren (caudalen) Facette, einem Wirbelkörper und einem Querfortsatz (b). Zwei benachbarte Wirbel bilden zusammen ein Facettengelenk (a) und ein Halswirbelkörpergelenk (blauer Kreis). Direkt unterhalb des Facettengelenks befindet sich das Zwischenwirbelloch (Foramen intervertebrale; roter Kreis) durch welches pro Halswirbel je ein Halsnerv rechts und links nach aussen führt. Im Innern der Wirbel führt der Rückenmarkskanal (grüner Kreis) das Rückenmark weiter zur Brustwirbelsäule fort.
Die Facettengelenke sind für die seitliche Beweglichkeit der Halswirbelsäule zuständig, die Halswirbelkörpergelenke für das hoch und runter bewegen des Halses. Anatomisch sind die Zwischenwirbellöcher grösser im oberen Halsdrittel und enger im unteren Halsdrittel.
5. – 7. Halswirbel
Die Facettengelenke (a) sind schön glatt ausgebildet. Die Austrittslöcher (b) sind weit offen und geben Platz für die Halsnerven.
5. – 7. Halswirbel
Sehr leichtgradige Einengung des Austrittsloches der Nerven (b). Die Facettengelenke sind schön glatt ausgebildet.
5. – 7. Halswirbel
Die Facettengelenke (a) sind vergrössert und nach unten unregelmässig zugebildet. Die Austrittslöcher (b) sind eingeengt.
5. – 7. Halswirbel
Die Facettengelenke (a) sind massiv vergrössert und nach oben und unten unregelmässig zugebildet. Die Austrittslöcher (b) sind stark eingeengt.
Probleme an der Halswirbelsäule können in jedem Alter des Pferdes zur Thematik werden. Eingeschränkte Halsbeweglichkeit, Taktstörungen, verändertes bis zu aggressives Verhalten, Lahmheiten, Stolpern und auch Unrittigkeit sind mögliche Symptome bei Halswirbelsäulenproblemen.
Fohlen und junge Pferde können genetisch oder unfallbedingt frühzeitig an den Folgen von Halswirbelsäulenveränderungen erkranken. Dazu zählen Missbildungen und/oder Instabilitäten der Halswirbelkörper im oberen (betroffene Regionen: C3-C4, gefolgt von C4-C5) sowie Veränderungen im unteren Halsbereich (angeborene, veränderte Form des 6. Halswirbels, vergrösserte oder verfrühte Arthrose der Facettengelenke der Wirbel C5-C7).
Traumatische Ereignisse (Stauchungen, Prellungen, Frakturen) im Bereich der Halswirbelsäule können natürlich in jedem Alter vorkommen. Je nach Schweregrad der Verletzung haben diese Traumata keine bis sehr schlimme Folgen.
Die Mehrzahl der Fälle in unserem Patientengut sind ältere Pferde (>15 J.), die mit beginnender oder bereits fortgeschrittener Halswirbelsäulenarthrose zu kämpfen haben. Als Daumenregel gilt: je älter ein Pferd umso wahrscheinlicher, dass es an Halswirbelsäulenarthrose erkrankt ist.
Folgende Gründe können genannt werden:
Allgemein sind Ponys und Esel weniger häufig von Halswirbelsäulenarthrose betroffen. Warmblutpferde, hingegen überdurchschnittlich häufig.
In seltenen Fällen können bei Schimmeln die Melanome bis ins Rückenmark vordringen und somit Ausfallserscheinungen aufgrund der entstehenden Quetschung des Rückenmarks hervorrufen.
Die Symptome können sich je nach Ursache und Ausmasse unterschiedlich äussern.
Beim Fohlen bedeutet dies:
Bei jungen Pferden oftmals anzutreffen:
Bei älteren Pferden oftmals anzutreffen:
Auf den Videos ist ein älteres Pferd zu sehen, welches an einer starken Halswirbelsäulenarthrose mit daraus resultierenden generalisierten Ataxie litt (erkennbar an dem unkoordinierten Gang der Vorder- und Hintergliedmasse).
Bei der eher selten anzutreffenden Missbildung der oberen Halswirbel beim Fohlen werden die zwei betroffenen Halswirbel operativ versteift. Davon betroffene Pferde können in der Regel nur bedingt als Reitpferde eingesetzt werden. Bei Missbildungen der tiefzervikal gelegenen Halswirbel beim jungen Pferd, muss über einen gezielten Muskelaufbau die Hals- und Körperstabilisation gewährleistet werden.
Bei degenerativ-arthrotischen Veränderungen der Halswirbelsäulengelenke behandeln wir die Entzündung der Facettengelenke und des umliegenden Gewebes häufig durch eine Gelenksinjektion mit Kortison und Arnika (stark entzündungshemmend). Das Ziel der lokalen entzündungshemmenden Behandlung ist eine Abschwellung des entzündeten Gewebes. Dies soll zu einer Druckentlastung der Halsnerven und des Rückenmarkes führen. Im Anschluss an diese Behandlung folgt ein gezielter Muskelaufbau, welcher von unserer Osteopathin begleitet werden kann.
Bei sehr stark fortgeschrittener Arthrose schafft die Behandlung leider nur vorübergehende Erleichterung, weshalb wiederholte Behandlungen (2-3 Mal im Jahr) nötig werden können. Leider kann aber auch dadurch ein vollständiges Verschwinden der Symptomatik häufig nicht erzielt werden.
Generell ist eine Unterstützung der Pferde mit Halswirbelsäulenproblemen durch Manual- und Physiotherapie zu empfehlen. Des Weiteren können Akupunktur, Lasertherapie oder Stosswellentherapie zum Einsatz kommen, um den Therapieerfolg zu unterstützen und zu verlängern.
Bei jedem Pferd muss individuell beurteilt und entschieden werden, welche Art von Therapie und Wiederaufbau eingesetzt werden soll.
Ergänzend möchten wir auf infektiös bedingte Erkrankungen des Rückenmarks eingehen.
Verschiedene Erreger können Koordinationsstörungen und Ausfallserscheinungen infolge entzündlichen Rückenmarkserkrankungen auslösen. Dazu gehören u.a das equine Herpesvirus Typ 1 oder das West Nile Virus. Damit vergesellschaftet ist immer auch die Entzündung der Hirn- oder Rückenmarkshaut, was zu weiteren Ausfallserscheinungen der Kopfnerven führt. Durch weiterführende Untersuchungen (Neurologische Untersuchung, Probeentnahmen, Röntgenbilder etc.) kann eine mechanische Rückenmarksquetschung von einer infektiösen Myeloencephalopathie unterschieden werden.